- (Hilma af Klint: Evolution, No. 15, Group IV, The WUS/ Seven-Pointed Star Series, 1908, Oil on canvas, 99 x 130 cm © Stiftelsen Hilma af Klints Verk, Photo: Moderna Museet/ Albin Dahlström)
Wenn mich etwas fasziniert, mich Einzigartigkeit, Schönheit, Authentizität, in ihren Bann ziehen, dann stelle ich mir die Frage: „Wo kommt das denn auf einmal her?“
Bei der ersten Retrospektive der schwedischen Künstlerin Hilma af Klint (1862-1944), die aktuell in der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof zu sehen ist, war diese Frage ständig in meinem Kopf.
Schon ab 1906 schuf Hilma af Klint abstrakte Werke, die in ihren Farb- und Formkompositionen voller Schönheit, Intuition, femininer Verspieltheit und gleichzeitiger Klarheit sind, dass der Besuch dieser Ausstellung für mich, zu den bleibenden Kunst-Momenten zählt.
Bisher war Wassily Kandinsky in aller Munde, wenn es um den frühesten Vertreter der abstrakten Malerei geht. Aus dem gleichen Geist der Abstraktion vollzieht sich bei Hilma af Klint eine Vereinigung der Gegensätze von Hell und Dunkel, Gedanken und Gefühlen, Männlichem und Weiblichem. Zu den Pionieren der Abstraktion gehört eine Frau.
Hilma af Klint hatte beschlossen, dass ihre abstrakte Malerei, im Gegensatz zu ihren konventionellen Landschaftsbildern, nicht zu Lebzeiten öffentlich gemacht werden soll. Sie hat diese Bilder gemalt, ohne gegenwärtige Anerkennung oder Honorierung durch den Kunstmarkt zu erwarten. Vielleicht haben die Bilder deshalb so eine Kraft, weil sie aus ihrer puren schöpferischen Individualität entstanden sind, ohne Kompromisse machen zu wollen oder zu müssen. Gerade dadurch haben ihre Werke ihren Entstehungszusammenhang behalten, sind in vollständigen Werkgruppen geordnet, deren Codes in ihren Notizbüchern dechiffriert werden können, die zum Teil während spiritistischen Seancen aus dem Unterbewußtsein entstanden.

Hilma af Klint: The Ten Largest, No. 2, Childhood. Group IV, 1907, Tempera on paper mounted on canvas, 315 x 234 cm © Stiftelsen Hilma af Klints Verk, Photo: Moderna Museet/ Albin Dahlström
Hilma af Klint beschrieb das Arbeiten an ihren Werken: „Die Bilder wurden direkt durch mich gemalt, ohne vorausgehende Zeichnung und mit großer Kraft. Ich hatte keine Ahnung, was die Bilder darstellen sollten, und dennoch arbeitete ich schnell und sicher, ohne einen Pinselstrich zu verändern.“
Hilma af Klint verfügte, dass erst 20 Jahre nach ihrem Tod ihre Werke der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten. Sie ging davon aus, dass ihre Zeitgenossen noch nicht soweit wären, deren volle Bedeutung zu erfahren. Oft ist es das Schicksal von Künstlern, dass sie ihrer Zeit voraus sind, Visionen haben, sehen was kommen kann- oder unerkannt schon da ist. So malte Hilma af Klint 1932 visionäre Karten, die die Luftangriffe auf London während des Zweiten Weltkrieges vorwegnahmen.

Hilma af Klint: Buddha`s Standpoint in Worldly Life, Series II, No. 3a, 1920, Oil on canvas, 37 x 28 cm © Stiftelsen Hilma af Klints Verk, Photo: Moderna Museet/ Albin Dahlström
In der Abstraktion steht die Kunst nicht an erster Stelle, sondern das Streben nach einem tieferen Verständnis der Welt und der menschlichen Existenz. Für Hilma af Klint war, wie für die meisten Vertreter der abstrakten Kunst von Wassily Kandinsky bis Piet Mondrian oder Frantisek Kupa, der in Europa ermöglichte Zugang zu den anderen religiösen Welten, wie der des Islam, des Buddhismus und Hinduismus, wichtig. Das Christentum besaß kein Alleinstellungsmerkmal mehr. In ihrer Serie „Gemälde zum Tempel“ werden die Phantasien, die Elemente der verschiedenen Religionen zu einer Synthese vereint. Jenseits der sichtbaren Welt existiere eine allen gemeinsame geistige Realität, die Hilma af Klint versucht hat, in ihren Bildern zu visualisieren.

Hilma af Klint: Altarpiece, No. 1, Group X, 1915, Oil and metal leaf on canvas, 237 x 179 cm © Stiftelsen Hilma af Klints Verk, Photo: Moderna Museet/ Albin Dahlström
Hima af Klint lebte auch im Privaten unabhängig und mit ihrer eigenen Sicht auf die Dinge und das Leben. Sie war nie verheiratet, hatte keine Kinder, pflegte ihre Mutter, entzog sich der typischen Frauenrolle und bezog Unterstützung diverser Förderinnen aus Stockholm.
Ihre Bilder wollte Hilma af Klint aber immer um sich haben, sie begleiteten sie Zeit ihres Lebens, sie hatte sie vor Augen: ihre Intuitionen, Visionen, Entwicklungen- ihre Welt der Gegensätze und Verbindungen. Hilma af Klint starb 1944 im gleichen Jahr wie Kandinsky, Munch und Mondrian.
Wenn ich einen Wunsch frei hätte, wünschte ich mir ein Kleid mit den Drucken von Hilma af Klint, ähnlich den Mondrian Kleider von Yves Saint Laurent. Im Museums-Shop fand ich Teetüten mit einer aufgedruckten Reproduktion. Die habe ich nicht gekauft.
Die Ausstellung mit über 200 Werken ist einer der größten zusammenhängenden und noch geschlossenen Werkkomplexe der Gegenwart. Ein Erlebnis der intuitiven Art.
HILMA AF KLINT
EINE PIONIERIN DER ABSTRAKTION
15. Juni- 6. Oktober 2013
Di/ Mi/ Fr: 10.00- 18.00/ Do: 10.00- 20.00/ Sa/ So: 11.00- 18.00
Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof
Museum für Gegenwart- Berlin
Invalidenstr. 50- 51
10557 Berlin-Mitte
perfekt! danke!
war mir ein Vergnügen xx Tanja