Schon lange wird im Kosmetiksalon Babette in der Berliner Karl-Marx-Allee keine Schönheitspflege mehr betrieben. Der Name Babette erinnert mich an das Frauenbild der DDR, ähnlich dem Image der damaligen Modezeitschrift Sibylle. Eine Frau, die Familie und Beruf mit links meistert, mit der alten Vornamen-Generation und deutschen Vergangenheit nichts zu tun hat, Freiheit in Nischen findet und damit leben kann. Inspirationen zum selber nähen, Liebe als Ersatz für andere Möglichkeiten, der perfekte Lidstrich zur Verschönerung der kleinen Welt, die vor der Großen verschlossen war.
Mitte der 50er Jahre wurde in der damaligen Stalinallee, die 1961 in Karl-Marx-Allee umbenannt wurde, ein Glas-Kubus errichtet: Der Kosmetiksalon Babette. Von allen Seiten einsehbar, offen und hell: für die moderne Frau. Wenn ich über die Karl-Marx-Allee laufe, fühle ich mich leicht verloren, an Moskauer Alleen erinnert. Die mehrspurige Straße, überdimensionale Bürgersteige, Privatsphäre erst in den eigenen vier Wänden möglich, kilometerlang die gleiche Architektur. Vielleicht liegt es an der Erinnerung: Militär-Paraden zu DDR-Geburtstagen, erste Schritte, eine Kugel Eis, Ende der 80er „Dirty Dancing“ im Kino Kosmos.
Zeiten ändern sich. Seit zehn Jahren ist der einstige Kosmetiksalon eine Bar mit Kunstbetrieb (Ausstellungen, Lesungen, Konzerten, Filmvorführungen). Maik Schierloh, Macher der Bar Babette- genauso wie des Autocenters in der Leipziger Straße- ist der Meinung, dass erst Ecken und Kanten eine Location interessant machen: “Man kann hier sitzen und nach draußen gucken, man kann sich auf sich konzentrieren und fühlt sich geborgen, obwohl alles offen ist.”
Ich habe mich in dem Glas-Haus wohl und auch nicht von außen beobachtet gefühlt. Wie in einer Seifenblase abgeschirmt von der Großstadt sitzt man auf DDR-Mobiliar. Man schaut aus den Fenstern der Babette auf die scheinbar menschenlose Allee, Einheitsbauten hinter angelegten Kollektiv-Gärten. In der Bar ist es voll, die Stimmung angenehm. Verdrehung von Realität und Wirklichkeitsflucht. Die Architektur wirkt immer noch.
täglich ab 18.00
Karl-Marx-Allee 36
10178 Berlin
muss ich schnell mal hin!
Wir sehen uns, xx tanja