Dorothy Iannone findet die Süße in einem Menschen unwiderstehlich: „Sie tut niemandem weh.“ Die amerikanische Künstlerin, die 1933 in Boston geboren wurde und seit 1976 in Berlin lebt, hat sich über fünfzig Jahre mit der freien Liebe, der Sexualität, privaten Träumen und Wünschen beschäftigt. Oft war sie ihrer Zeit voraus, hatte mit Zensur zu kämpfen, ist viel gereist, hat sich vom Buddhismus und anderen Kulturen inspirieren lassen, ein Leben der Bohème geführt.
Mit 25 Jahren heiratete sie vermögend, das ermöglichte ihr, die Welt zu sehen, sich autodidaktisch mit der Malerei zu beschäftigen, was sie zum abstrakten Expressionismus brachte. Sie experimentierte mit Farben, Collagen, Text, Papier, Video oder Holz.
Mitte der 60er Jahre waren ihre Bilder und Collagen von bunten Ornamenten geprägt, bis sich später Menschen herauskristallisierten. Eines haben diese gemeinsam: Immer sind die Genitalien zu sehen, egal ob sie bekleidet sind oder nicht. Dorothy Iannone legt sie sozusagen frei, zeigt, dass jeder ein Geschlecht hat, ob verdeckt oder nicht, es ist präsent.
Seit heute ist die Retrospektive mit über 150 Werken in der Berlinischen Galerie zu sehen und auf jeden Fall sollte man in der Stimmung sein, die Hommage an die freie Sexualität zu betrachten. Ich fand es spannend, dass Dorothy Iannone ihre privaten Erlebnisse aufgriff, um sich künstlerisch auszudrücken. Als sie 1967 mit ihrem damaligen Mann James Phineas Upham nach Island reiste, um Dieter Roth zu besuchen, erkennt sie Dieter Roth als die Liebe ihres Lebens. Sie fährt mit ihrem Mann zurück nach New York aus dem alleinigen Grund, um ihre Koffer zu packen. Fast kann man es das Tagebuch vom Finden einer Liebe bis zum Happy End nennen, die „An Islandic Saga“. Auf 48 Bildern zeichnet und beschreibt sie das Kennenlernen von Dieter Roth und wie sie beim ihm in Reykjavik ein neues Leben anfängt.
Die Saga lässt mich denken, dass es stimmt, wenn man verliebt ist, kann man sich fast autistisch an jedes Wort oder Geste erinnern. Im Nachhinein ein in die Ewigkeit gefrorener Moment. Dorothy Iannone selbst sagt zu ihren Künstlertagebüchern: „Als ich an diesen Büchern arbeitete, jedes von ihnen existiert bis heute als Unikat, war das eine andere Art, wie ich mit dem Geliebten zusammen sein konnte, selbst dann, wenn wir getrennt waren, und das ermöglichte eine vollkommene Art der Versenkung.“1
Zusammen sind Dorothy Iannone und Dieter Roth ein Künstlerpaar, dass sich gegenseitig inspiriert, sie nennt Dieter Roth unkonventionell ihre Muse. Als sie 1976 nach Berlin kommt, die Zeit mit Dieter Roth liegt in der Vergangenheit, arbeitet sie u.a. an der Serie „Berlin Beauties“, schwarz/ weiß Collagen mit Texten. Ich mag die Texte zu den Zeichnungen, sie sind persönlich, manchmal fast schnippisch aber irgendwie auch melancholisch.
DOROTHY IANNONE: THE SWEETNESS OUTSIDE OF TIME
Berlinische Galerie
20. Februar- 2. Juni 2014
Mi- Mo: 10.00- 18.00
Alte Jakobstraße 124- 128
10969 Berlin
1– Aus dem Gespräch zwischen Maurizio Cattelan und Dorothy Iannone, Erstveröffentlichung in Abitare, Nr. 517, November 2011
Was für eine tolle Künstlerin – von Dir auch so herausgehoben!!