(Nicole Bouban, photo © Wols)
Als ich die Ankündigung für die Ausstellung mit dem Selbstporträt von Wols (Wolfgang Schulze) gesehen habe, wusste ich, seine Fotos möchte ich sehen. Auf dem Selbstporträt hat er diesen Blick, der Sensibilität verspricht, nachdenklich und sehr beobachtend, offen ist. Die Zigarette leger im Mundwinkel, eine Momentaufnahme von Jemandem, der weiterziehen wird.
1913 in Berlin geboren, wächst Wols in Dresden auf, wo er das Fotografie-Handwerk lernt, kehrt 1932 nach Berlin zurück, um im gleichen Jahr mit 19 Jahren nach Paris aufzubrechen, der Stadt, die als Metropole der Avantgarde galt. Die Begeisterung für fremde Länder war einer der Gründe Deutschland zu verlassen. Seine in Paris entstandenen schwarz/weiß Porträt-Reihen von befreundeten Künstlern aus der Surrealisten-, Theater- und Literaturszene wie Max Ernst, Roger Blin oder Nicole Bouban sind Meisterwerke im Festhalten von Nähe.
In der Ausstellung sind teilweise die erhalten gebliebenen Kontakt-Abzüge zu sehen, die den Bildern in Serie ohne Vorauswahl Einmaligkeit bestätigen. Intime Momente, wie zwischen Jacques Prèvert und Jaqueline Laurent, beobachtet man gern, faszinierend, wenn man sich ihnen zugehörig fühlt oder eine Ahnung hat, wie der vergangene Augenblick gewesen sein könnte.
Beim Betrachten der Kontakt-Serien merkt man, wie die Porträtierten nach und nach offener wurden. Frauen legen sich auf Kissen ab, schließen die Augen, es wird entspannt geraucht, in der Sommerfrische gelacht, Intimität entsteht auch oder trotz weggelassener Kleidung oder mädchenhaftem Festhalten an einem Hund.
Wols entdeckt Paris mit seinem Blick. Anfangs noch in Aufnahmen, auf der man die Stadt an der Seine erkennt, fokussiert er sich immer mehr auf Details, ohne abseitigen Blick: Pflastersteine, Treppen zum Kanal, Häuserwände, Laternen. Die Welt in kleinen Dingen, die Auslöser für Veränderungen sein können oder übersehen werden in der Alltäglichkeit, ihre eigene Schönheit und Form haben.
Sein Wunsch von der Fotografie leben zu können, hat sich nicht erfüllt. Er war unangepasst. Als er 1937 den Auftrag bekam, für die Pariser Weltausstellung den Pavillon de l´Élégance zu fotografieren, entstanden Modefotografien im Spiel zwischen Licht und Schatten, dramaturgische Kompositionen, nicht unbedingt dem Zeitgeschmack entsprechend.
Der Titel der Ausstellung „Der gerettete Blick“ ist eine Hommage an das Werk des Künstlers, das schon zu Lebzeiten fast in Vergessenheit geraten ist. Wols hatte in seinem kurzen Leben, er starb 1951 mit 38 Jahren, mit den politischen Umwälzungen zu kämpfen. Er, der in Frankreich ein deutscher Flüchtling war, wurde bei Ausbruch des Krieges zum feindlichen Ausländer. Er verbrachte ein Jahr in südfranzösischen Internierungslagern. In Paris, als Fremder in der gewählten Heimat, zog er sich mehr und mehr zurück.
In dieser Zeit sind Stillleben entstanden, fast nur in der eigenen Küche aufgenommen, die berührend sind und Einsamkeit ahnen lassen. Nach dem Krieg widmet Wols sich der Malerei. Nicht weil er der Fotografie überdrüssig war, sondern ihm, dem seine Fotoausrüstung gestohlen worden war, die Mittel fehlten, sich eine Neue zu besorgen.
Eine Ausstellung, die durch die Nähe, Authentizität der Fotos und dem Wissen um die persönliche Tragik des Künstlers, sensibel, berührend und ungewohnter Spiegel der Pariser Zeit in den 30er Jahren ist. Heute zählt Wols zu den Wegbereitern der informellen Kunst.
WOLS PHOTOGRAPH. DER GERETTETE BLICK
15. März- 22. Juni 2014
Martin-Gropius-Bau
Mi- Mo: 10.00- 19.00/ Di: geschlossen/ ab. 20. Mai täglich bis 20.00
Niederkirchnerstraße 7
10963 Berlin
photos © Hannes Hametner
hingehn – danke!