„I am a visual man, I watch, watch, watch. I understand things through my eyes.“, sagte Henri Cartier-Bresson, der mit seiner Leica, egal welches Land er gerade bereiste, auf den entscheidenden Moment wartete. Das 20. Jahrhundert gab ihm mit seinen Ereignissen geprägt von Zerstörung, Aufbau, Verlust und rasantem Neuanfang viele Möglichkeiten, den hypnotisierenden Augenblick abzuwarten. Mit seinen schwarz/weiß Kompositionen, den Aufnahmen mit feinem Blick für die Details alltäglichen Daseins und anbahnender Veränderungen gehört Henri Cartier-Bresson zu den wichtigsten Fotografen des 20. Jahrhunderts.
Das Pariser Centre Pompidou zeigt die Henri Cartier-Bresson Retrospektive mit über 500 seiner Arbeiten, beeinflusst vom Surrealismus (1926- 1935), dem zweiten Weltkrieg, Arbeiten für kommunistische Medien und aus der Magnum Ära (1947- 1970), deren Mitgebgründer er war, bis hin zu seinen finalen Photo-Reportagen. Die Ausstellung nimmt einen mit in das vergangene Jahrhundert, langsamer tickenden Zeit, der Ruhe, um auf ein Bild warten zu können, auf ein Spiel zwischen Licht und Schatten an Bistro-Tischen, Häuserwänden, in Gesichter von Kindern aus Madrid und Valencia, zur Mittagsruhe am Ufer der Seine.
Henri Cartier-Bresson zeigt das Gesicht des Krieges, den Wandel von Tätern zu Menschen mit ängstlichen Gesichtern. Er reist nach Indien und China, fotografiert Gandhis Beerdigung. In Moskau ist es der Alltags beim Bau der Metro und dem Feierabend-Spaß in der Kantine, eine Schulklasse bei der morgendlichen Gymnastik im Sitzen.
In Cuba und Mexiko Schönheit und Sehnsucht, wie zum Beispiel beim zufällig beobachteten Liebesakt zweier Frauen, über den Henri Cartier-Bresson schrieb: „In Mexiko in 1934, I had a stroke of luck. I just needed to push open a door. Two lesbians were making love. It was so incredibly voluptuous and sensual….I couldn`t see their faces….It was a miracle to have been given this opportunity. There is nothing obscene about it. It is the sheer fulfilment of physical love. I would never have succeeded in getting them to pose.“
Henri Cartier-Bresson hat großartige Porträts gemacht. Ich mochte sehr die Aufnahme des jungen Truman Capote oder des in sich selbst vergessen zu scheinenden Alberto Giacometti.
Henri Cartier-Bresson beobachtet die Welt nach dem Krieg, die Phase der Erholung, die Lust wieder konsumieren zu können, die Freude junger Paare bei der Auswahl des ersten gemeinsamen Sofas oder das Bestaunen technischer Neuerungen in Schaufenstern, egal ob in Paris, Moskau oder Havanna.
Nach dem Besuch der Ausstellung hat man von der Dachterasse des Centre Pompidou eine schöne Aussicht auf Paris, es war verregnet, als ich da war, ich mochte den Blick von oben und stellte mir das Leben in den Straßen mit dem Blick von Henri Cartier-Bresson vor, wie und wohin er wohl heute schauen würde.
HENRI CARTIER-BRESSON L`EXPOSITION
CENTRE POMIDOU BIS ZUM 9. JUNI 2014
Place Georges-Pompidou, 75004 Paris