Wer hat Angst vor dem Blick von Frauen, solche die fotografieren, so die Frage der Ausstellung, die noch bis zum 24. Januar im Pariser Musèe d´Orsay und im Musèe de l`Orangerie zu sehen ist und sich mit der Zeit von 1839- 1945 beschäftigt. An einem verregneten Nachmittag kurz nach dem Jahreswechsel zog es mich dorthin, zu auffällig waren die Plakate mit der Frau in rot vom Madame Yevonde
auf den Bushaltestellen-Plakaten der Rue de Rennes. Am Museumseingang Flughafenähnlich verschluckt durch Schleusen und Kontrollen, entlassen in eine Welt, die als Ziel zu haben scheint, die Schönheit unserer Gattung zeigen. Auf dem Weg über Marmortreppen und Tropfen auf gläsernen Dächern vergesse ich schnell, woher ich komme, das ein neues Jahr angefangen hat und nur die großen Zeiger der Uhr, ohne Unterlass und Gemüt bewegen sie sich, künden von Gesetzmäßigkeiten.
Wie sehen Frauen sich selber losgelöst vom Blick der Männer. Oft sind es Porträts, gerade zu Beginn der Fotografie-Ära, die das Entdecken des Alltags durch das Auge der Kamera, Distanz und Nähe in einem zeigen. Distanz durch die Technik, Nähe durch die Vertrautheit des eigenen Geschlechts. Eine Reise durch gesellschaftliche Schichten vom inszenierten hochherrschaftlichem Leben, wie bei bei den Fotografien von Lady Frances Jocelyn, wo selbst der Ehemann zum Dekor wird.
Bis hin zu den abwesend wirkenden, fast feenartigen Geschöpfen auf den Fotografien der Julia Margaret Cameron, die genauso alte Frauen porträtierte, an deren Art zu blicken sich kaum etwas geändert hat. Ähnlich dem eigenen Zustand, sich noch sehr gut an die Zeit vor der Zwanzig zu erinnern, dass Gefühl zu haben, die selbe zu sein, so wie man denkt und die Haut ist älter geworden. Ein Paradox, wenn der Blick auf die Welt da draußen, der selbe bleibt, nur das die Welt weniger oder anders auf einen schaut. Der Blick von Frauen auf Frauen, beim Zurechtmachen, dem Entdecken der eigenen Verführungsoptionen oder dem Realisieren an Grenzen zu kommen.
Oft zeigen die Fotografinnen vor der Jahrhundertwende zum 20. Jh. das Zusammengehörigkeitsgefühl unter Frauen, als ob man immer unter sich bleiben würde. Aber auch Orte, die von Frauenhänden und Geschmack gestaltet wurden, Orte des Rückzugs und der Stille, wenn das Dinner vorbei ist oder die Gäste auf sich warten lassen. Momente der Besinnung bevor das Schauspiel beginnt, eine bestimmte Rolle zu spielen ist.
Ein Spiel der Generationen, Flüstern von Geheimnissen, lieblicher Zusammengehörigkeit, solange sie unter sich sind, fast infantil vor den Toren der Welt.
Manchmal konnte man denken, man laufe durch ein privates Familienalbum, gerade bei der Künstlerin Gertrude Käsebier, die die Schönheit und Verzücktheit dessen darstellt, was es bedeuten kann, Mutter zu sein. Vom Kind an der Brust bis zu dem Tag an dem der Sohn als Matrose auf einen Besuch vorbeikommt. Eine wunderbare Künstlerin auf der Gradwanderung zwischen Theatralik und Zufälligkeit.
Die zwanziger Jahre, Zeit der Selbstentdeckung und Selbstporträts. Bei dem Porträt von Florence Henri (1928) mit der Ausstrahlung in Manier überschminkter Stummfilmhelden oder dem wunderbaren Selbstporträt von Madame d´Ora in Berlin, frage ich mich, ob man kommende Erlebnisse rückwirkend vor ihrer Herkunft ablesen kann, oder ist es nur der Bonus der folgenden wissenden Generation?
Wer weiß, was beim Anschauen unsere privaten Fotografien später einmal, wenn sie den Sprung vom Pixel in ein Album geschafft haben, von den Enkeln gefragt wird: Ob Oma da schon geahnt hat, dass sie einmal nach Santiago de Chile gehen würde?
Selbst-Inszenierung, Voyeurismus am eigenen Körper, Porträts mit Zigarette vor dem Kamin oder kaum erkennbar im entfernten Badezimmerspiegel, mal ironisch und in doppelter Ansicht
sehr lasziv und selbstbewusst zudem. Es ist die Anzahl der vielen Künstlerinnen, die diese Ausstellung so besonders macht. Der feminine Blick auf eine Epoche, vom Beginn der Fotografie bis zum Ende des zweiten Weltkrieges, dem Höhepunkt der technischen Brutalität, dem auch Künstlerinnen wie die jüdische Berlinerin YVA zum Opfer fielen.
Frauen aus den verschiedensten Schichten und Nationalitäten, die sich ein Handwerk zu eigen machten, manchmal erst nachdem die Kinder groß gezogen waren, so wie Julia Margaret Cameron, die im Alter von 48 Jahren zu fotografieren begann. Und natürlich die Fotografie als Avantgarde und Neugier, dem sich auszuprobieren, einen Weg zu gehen, den man sich ausgesucht hat.
Die Modefotografie gehört natürlich zu dem femininen Blick, die Freude an der Ästhetik, die Beobachtungsgabe für Details kurz vor dem Größenwahn. So ist es oft die Schönheit unserer direkten Umgebung, die den Blick für den Rest der Welt vergessen lässt, bevor jegliches Detail im Strom der Ereignisse verloren geht.
Unausweichlich die kommende Zerstörung, Soldaten, Abschied, Flucht, der Blick ins Innere, dass sich nach außen gewandt hat im wiederholenden Kreis der Geschichte. Natürlich der Krieg und sein Ende als unausweichliches fotografisches Thema, da es in Zeiten, wo es ums Überleben geht, eben nur dieses eine Thema gibt.
BIS ZUM 24. JANUAR 2016
QUI A PEUR DES FEMMES PHOTOGRAPHES?